Maximilian Krumm Dipl. Sportwissenschaftler
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Radreise durch Myanmar (Burma) Myanmar (Burma) grenzt an Thailand, Laos, China, Indien, Bangladesch und den Golf von Bengalen. Seit 1962 wurde das Land von einer Militärdiktatur beherrscht, bis diese 2011 einen zivilen Präsidenten als Staatsoberhaupt einsetzte. 2016 gewann die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die nach internationalem Druck 2010 von der Militärregierung Myanmars aus Ihrem insgesamt 15 Jahre währenden Hausarrest entlassen wurde, mit ihrer Partei „National League for Democracy” die Wahlen. Die Hoffnung in der Bevölkerung, auf einen damit einhergehenden Wandel zu mehr Demokratie und Freiheit, ist groß. Während unserer Reise, wurde der persönliche Berater von Aung San Suu Kyi an einem Flughafen erschossen. Myanmar ist ein Vielvölkerstaat mit rund 52 Millionen Einwohnern, dem 135 verschiedenen Ethnien angehören. Den mit Abstand größten Bevölkerungsanteil machen die Burmesen (daher der Name Burma) mit 70% aus. Aktuell kommt es immer noch zu „Konflikten” zwischen dem Militär und ethnischen Minderheiten. Hier ist vor allem die brutale Vertreibung von Moslems nach Bangladesch anzuprangern. Auch als einer der größten Drogenexporteure weltweit, sorgt Myanmar für negative Schlagzeilen in der internationalen Presse. Dies spielt sich alles in den Grenzregionen ab. Für Ausländer ist es nach wie vor untersagt, in diese Gebiete zu reisen. Wir flogen über Doha direkt nach Yangon, die größte Stadt in Myanmar. Nach zwei Tagen Sightseeing und Akklimatisierung ging es von dort mit dem Bus weiter nach Naypitaw. Hier startete unsere Radreise: Naypitaw – Nga Lake Resort – Taungdwingyi – Magway – Yenaungyaung – Mt. Popa – Bagan – Myingyan – Thazi – Kalaw – Nyaung Shwe - Pindaya – Ywagan – Kyaukse – Mandalay Insgesamt legten wir ca. 1200 km und einige tausend Höhenmeter mit dem Rad zurück. Die Hitze, der Staub, der streckenweise viele Verkehr mit einhergehenden Abgasen, schlechten Straßenverhältnissen und der teils üble Gestank sorgten für viel Abwechslung, aber nicht immer für Komfort! Auf jeden Fall war es ein sehr intensives Erlebnis. Bis auf wenige Ausnahmen, muss man sich als Radfahrer die wenigen Hauptstraßen mit allen anderen „Gefährten” teilen. Sämtliche Nebenstraßen, ob über Land oder in Dörfern und Städten, bestanden meist aus „Rumpelpisten”, die mit unseren Reiserädern nur sehr schlecht zu befahren waren. Inzwischen haben die Straßen die Flüsse als Hauptverkehrsadern abgelöst. Bessere Straßen sind in Planung und zum Teil schon in Arbeit, hauptsächlich um den Handel mit den Nachbarländern anzukurbeln. An den Straßen pulsiert das Leben! Viele lassen sich hier mit Ihren Familien nieder und es gibt jede Menge Hütten entlang, bei denen allerlei verkauft wird. Mal gibt es etwas Obst und Gemüse, fast immer Wasser, Cola und Bier und einige Snacks, oft Telefonkarten, auch mal Benzin (in leeren 1l-Wasserflaschen abgefüllt für Mopeds). Einige haben sich auf Pannen von Autos und Mopeds spezialisiert. Hinter den Hütten türmen sich die kaputten Reifen. Angenehm war, dass wir nur selten in Gegenden kamen, in denen man kein Wasser oder Bier kaufen konnte. „Beere Myanmar” ist für uns spätestens zum Abendessen die ersehnte Abwechslung zum faden Wasser gewesen. Wie Straßen gebaut werden konnten wir täglich oftmals an den vielen kleinen Baustellen erleben, die wir passierten – jedes mal ein Highlight! Als schweres Gerät gibt es meist nur eine Walze, eventuell ist manchmal noch ein Bagger zu sehen. Ein, zwei Männer schlagen mit einem Vorschlaghammer größere Steinbrocken zu kleineren, ansonsten sind tatsächlich hauptsächlich Frauen beschäftigt. Die Frauen sortieren und schichten die Steine als Fundament auf oder schleppen in Schüsseln Kieselsteine auf dem Kopf umher, die dann abschließend auf den flüssigen Teer, der auf das „Fundament” gekippt wird, aufgetragen werden. Der Teer wird in großen Blechtonnen erhitzt. Hierfür werden die Tonnen auf eine extra gegrabene Furche gelegt, in der mit gesammelten Ästen ein Feuer entfacht wird, wodurch der Teer heiß und flüssig wird und auch ordentlich ausdünstet. Die gebrauchten Tonnen begegnen einem dann übrigens im Straßenverkehr noch öfter als Absperrung oder Kurvenbegrenzung. Auf den Baustellen herrschte meist eine gemütliche und heitere Stimmung, fast immer wurden wir sehr freundlich gegrüßt und bestaunt. Die neugebauten Straßenabschnitte – na ja, mit dem Rad waren sie gut fahrbar, aber ich war immer froh nicht mit einem Bus etc. zu fahren müssen, denn plan und eben waren sie nie! Da kann man sich Vorstellen, wie abenteuerlich einige ältere Straßenabschnitte ausgesehen haben. Was und wer auf den Straßen unterwegs ist, da sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt! Hier treffen sich sozusagen Fortbewegungsmittel und Transportmethoden aus mehreren Jahrhunderten. Vor allem in den ländlicheren Gebieten sieht man jede Menge Ochsenkarren und Frauen mit allen möglichen Gegenständen auf dem Kopf, in den Städten auch noch die ein oder andere Pferdekutsche. Die normale Bevölkerung reist meist mit Mopeds, Pick-Ups oder Bussen. Die Schüler und die ganz Armen strampeln auf uralten Fahrrädern. „Normale” Autos sieht man eher selten. Diese sind tatsächlich alle in relativ gutem Zustand. Vor einigen Jahren mussten alle alten Autos verschrottet werden, damit Myanmar ein besseres und moderneres Bild den Touristen gegenüber abgibt. Dafür sind viele LKWs unterwegs, die zum Teil schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel haben. Da wird man dann am Fahrrad des Öfteren mit einer pechschwarzen Abgaswolke eingenebelt. Die meisten Modelle haben den Auspuff auch noch auf der rechten Seite. Grundsätzlich sind alle Fahrzeuge immer völlig überladen. Auf den Mopeds wird von der Großfamilie bis zum Hausschwein und der 10m-Bambusstange alles transportiert. Pick-Ups und Busse sind bis unter die Decke voll mit Säcken und Fahrgästen vollgestopft. Was innen keinen Platz mehr findet, wird auf das Dach geschnallt. Oft sitzen auf den Dächern auf dem Gepäck noch einige Passanten. Die LKW-Fahrer scheuen trotz Überladung keine Sträßchen, die sich den Berg hinaufwinden. Das der ein oder andere dabei liegen bleibt oder die Bremsen immer wieder heruntergekühlt werden müssen, ist kein Hindernis, sondern gehört einfach mit dazu. Überhaupt, keiner ist gestresst unterwegs und selbst der dichteste Verkehr ist ganz „gechillt” im Fluss. Wir haben beim radeln keine einzig brenzlige Situation erlebt. Man ist in Myanmar gewohnt Rücksicht aufeinander zu nehmen. Jeder Verkehrsteilnehmer der überholt, kündigt dies durch ein kurzes, unaufdringliches Hupen an. Bei uns folgte dann meist ein freudiges herzlich-Willkommen-Hupen mit Gruß und winken aus dem Fenster. Obwohl Rechtsverkehr herrscht, sitzen die Fahrer meist tatsächlich auf der rechten Seite! Bis auf die Fahrräder und Ochsenkarren verbreiten in der Summe alle anderen Gefährte einen ziemlichen Smog, der sich mit der Luftfeuchtigkeit, dem Staub und dem Rauch von verbrannten Abfällen gut durchmischt und eine richtige Dunstglocke bildet. Durchbrochen werden kann dieses zähe Gemisch manchmal nur von dem Gestank einiger verseuchter, stehender Gewässer. Also vor einer Radreise bitte unbedingt längeres Luftanhalten während des Fahrens trainieren! In den Bergen waren wir zum Glück über der „Smoggrenze” (auf 1200 bis 1500 Meter Meereshöhe). Nicht nur die Luft war reiner. Auch die Temperaturen waren deutlich angenehmer, die Dörfer sauberer, und streckenweise waren wir auf kleinen Sträßchen in wunderschöner, malerischer Landschaft unterwegs. Die Bevölkerung in den Bergdörfern kam uns extrem nett und freundlich vor. Sie strahlten eine Ruhe und Bescheidenheit aus, die uns sehr berührte. Die Unterkünfte in Myanmar waren insgesamt durchaus in Ordnung. Allerdings lässt das Preis- Leistungsverhältnis durchaus zu wünschen übrig. Als Tourist muss man in extra für Ausländer lizenzierten Unterkünften absteigen. Hier wird ziemlich abkassiert, die Unterkünfte sind deutlich teurer als in anderen südostasiatischen Ländern. 30 US-Dollar sind selbst für die einfachste Unterkunft durchaus normal. Als Reiseradler empfiehlt es sich unbedingt bei der Reiseplanung die möglichen Unterkünfte bei der Tourenplanung einzubeziehen. In manchen Gegenden sind Unterkünfte für Ausländer rar und nicht selten über 100 Km voneinander entfernt. Abends haben wir zum Glück immer etwas warmes zu Essen bekommen und die Essensgelegenheiten in Hotelnähe waren durchaus auf Touristen eingestellt (sogar mit englischen Speisekarten). War das Lokal sehr „lokal”, wurde es abenteuerlich. Aber Reis uns Gemüse gab es eigentlich immer. Die Küche ist insgesamt sehr einfach und kein Vergleich zu Vietnam oder Thailand. In den größeren Städten war das kulinarische Angebot natürlich auch auf westliche Touristen ausgelegt und brachte etwas mehr Abwechslung. Tagsüber auf unseren Radetappen war es durchaus schwierig außer Obst (wir haben uns meist von Bananen ernährt) etwas anderes, für uns vermeintlich essbares am Straßenrand zu bekommen. Die schmuddeligen Essensgelegenheiten machten uns nicht wirklich an. Sehr viele Kinder sahen wir überall auf unserer Route. Zudem auch jede Menge Schulen, Klöster und Klosterschulen. Vor den Klöstern stehen oft ein paar junge Frauen, die mit ein paar Steinchen in Schüsseln scheppern, um Spenden zu sammeln. Im Hintergrund sitzt meist ein Mönch, der oft durch ein Mikro eine Litanei vom Stapel lässt. Die Klosterschulen sind sozusagen das soziale Netzwerk Myanmars, finanziert durch die Spenden der Bevölkerung. Arme Familien schicken ihre Kinder dorthin, damit sie Bildung erhalten. Die Mönche werden in Myanmar traditionell sehr verehrt und geachtet. Es ist Tradition, dass jeder Burmese zumindest einmal in seinem Leben für ein Jahr in ein Kloster eintritt. Von den touristischen Sehenswürdigkeiten war für mich am beeindruckensten die Shewagon Pagode in Yangon. Man spürt sofort, dass hier der buddhistische Glaube duch die vielen einheimischen Pilger gelebt, ja mit Leben erfüllt ist. Dabei herrscht ein ganz entspannte und lockere Atmosphäre. Rund um die höchste Stupa der Welt, wird gebetet und meditiert, genauso aber auch gegessen, geplaudert oder mal eben ein Nickerchen gehalten. Den Inle-See und Bagan mit den mehereren tausend Stupas und Tempeln, waren sehenswert, aber im Vergleich extrem touristisch – mit allen Vor- und Nachteilen. Das eigentliche Highlight waren aber für uns ganz klar die vielen kleinen netten Begegnungen, die sich täglich zufällig mit der sehr sympathischen Bevölkerung ergaben. Des Öfteren versuchten Mopedfahrer mit uns während der Fahrt eine kleine Konversation zu starten. Wenn wir in einem Dorf kurz angehalten haben, kamen oft Bewohner mit ihren Kindern auf uns zu, um uns zu begrüßen und zu bestaunen. Nicht selten wollten sie dann natürlich auch noch ein Foto mit uns schießen. Ab und an entspann sich auch ein nettes Gespräch. Mir blieb zum Beispiel der pensionierte Englischlehrer in Erinnerung, der dann auch noch unbedingt seine Geige holen wollte, um ein paar Töne zu spielen und uns fürchterlich schmeckende chinesische Süßigkeiten schenkte. Es drängt sich dir Frage auf, warum sind die Burmesen im großen und ganzen so nett, gut drauf und machen fast immer einen glücklichen Eindruck? Man kann sich selbst nur als verwöhnter Jammerlappen vorkommen. Hauptsächlich, so vermute ich, liegt es am Buddhismus, der hier noch gelebt wird wie in kaum einem anderen Land. Die vielen Stupas, Tempel, Klöster und Mönche, denen man überall begegnet, verbreiten eine sehr angenehme und friedvolle Atmosphäre. Zudem sind vielleicht auch die Betelnüsse durchaus ein Teil des Geheimnis, warum die Burmesen insgesamt so „gechillt” drauf sind. Betelnüsse zu kauen ist die „Volksdroge” schlechthin in Myanmar. Kleine Stückchen der Nuss werden zusammen mit gelöschtem Kalk und Kräutern oder Kautabak in Betelpfeffer-Blätter eingewickelt und anschließend in kleine grüne Plastikdosen verpackt. In dieser Form kann man die Betelnüsse quasi im ganzen Land an jeder Straßenecke kaufen. Beim kauen färbt sich der Speichel blutrot und die Speichelproduktion wird zudem kräftig angekurbelt. Dieser wird dann überall einfach auf den Boden „gespotzt”, was die vielen roten Flecken auf den Straßen, an Bushaltestellen und öffentlichen Plätzen erklärt. Die zähe Konsistenz des Speichels kann man anhand des waberns während der Flugphase genau erkennen. Radreisende sollten unbedingt aufpassen, um nicht aus Versehen eine Ladung davon aus einem überholenden Fahrzeug abzubekommen! Das Kauen der Nüsse soll eine leicht stimulierende und euphorisierende, aber auch leicht betäubende Wirkung haben. Das langanhaltender Konsum die Zähne schwarz färben kann bzw. die Zähne richtig verkrusten, haben wir vor allem in den Großstädten bei zahlreichen Männern beobachten können. Die Betelnuss scheint auf jeden Fall eine Erklärung zu liefern, wie vor allem die Schwerstarbeiter die täglichen, unglaublichen Belastungen ertragen können (z.B. Steine klopfen im Straßenbau oder Goldplättchen klopfen).  Man kann dem Vielvölkerstaat Myanmar nur wünschen, dass nach der Jahrzentelangen Abschottung des Landes, ein behutsamer und friedlicher Wandel in ein modernes Zeitalter gelingen möge. Die sehr stark im Buddhismus verwurzelte, sympathische Bevölkerung, hätte es mehr als verdient und sollte gute Vorraussetzungen hierfür mitbringen.